Fachbeiträge aus den Rechtsgebieten
Die Begriffe „Vollendung“ und „Beendigung“ stammen aus dem Kernstrafrecht. Im Bereich des Steuerstrafrechts können sie aber entgegen dem Kernstrafrecht viele Probleme bereiten.Eine Steuerhinterziehung ist vollendet, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 370 AO erfüllt sind, d.h. über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden sind oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen worden sind und dadurch Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt worden sind.Für die Vollendung ist folglich der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Steuervorteile eingetreten oder die Steuerverkürzung wirksam geworden ist. Beendet ist eine Tat, wenn sie ihren tatsächlichen Abschluss gefunden hat. Dieses Datum ist sehr wichtig. Denn auf den Tag der Beendigung der Tat fällt der Beginn der Verjährung. Aus diesem Grund ist auch dieser Zeitpunkt genau zu bestimmen. Vollendung und Beendigung können zeitlich identisch sein, müssen es aber -insbesondere bei der Umsatzsteuer- nicht.Grundsätzlich gilt: Die Hinterziehung von Veranlagungssteuern (z.B. Einkommensteuer) ist nach allgemeiner Auffassung mit der Bekanntgabe des ersten - wegen der Falschangabe unrichtigen - Steuerbescheides beeendet. Wird also für das Jahr 2008 eine unrichtige Einkommensteuererklärung abgegeben und die Veranlagung durch das Finanzamt erfolgt im Juni 2009 (Beendigung der Tat), wäre die Steuerhinterziehung ab Juli 2014 strafrechtlich verjährt. Bei der Umsatzsteuer (sog. Fälligkeitssteuer) müssen die vereinnahmten Beträge jedoch selbst angegeben werden. Eine Steuerhinterziehung wird hier also nicht durch aktives Tun (Abgabe der Steuererklärung), sondern durch Unterlassen verwirklicht. Nach der insoweit festen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll für den Zeitpunkt des Beginns der Verjährung in solchen Fällen darauf abgestellt werden, wann durch dieses Verhalten die Vollendung der Steuerhinterziehung eingetreten ist. Hierzu gilt folgender Grundsatz: Bei Umsatzsteuerhinterziehung durch Unterlassen wird auf die gesetzliche Abgabefrist abgestellt, d.h. hinsichtlich der Jahreserklärung auf den 31.05. des Folgejahres bzw. hinsichtlich der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen auf den 10. des Folgemonats abgestellt. Ob bei der Hinterziehung von Umsatzsteuer Vollendung und Beendigung zeitlich identisch sind, beurteilt sich wie folgt: Wird eine unzutreffende oder gar keine Umsatzsteuervoranmeldung abgegeben, ist die Tat zwar vollendet, jedoch noch nicht beendet. Denn hinsichtlich der Beendigung kommt es auf die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung Diese ist – ohne gewährte Fristverlängerung – bis zum 31.5. des Folgejahres abzugeben. Wird hingegen eine unzutreffende oder gar keine Umsatzsteuerjahreserklärung abgegeben, gilt Folgendes:„B. S. war als Betreiber des Bordells verpflichtet, fürdie in den Jahren 2000 und 2001 getätigten Umsätzejeweils bis zum 31. Mai des Folgejahres (§ 149 Abs. 2Satz 1 AO) eine Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben(§ 18 Abs. 3 UStG). Indem er dies unterließ, ließ erdie Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erheblicheTatsachen in Unkenntnis. Mit Ablauf der Abgabefristwar die entsprechende Umsatzsteuer jeweilsverkürzt (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO) und der Tatbestandder Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370Abs. 1 Nr. 2 AO) vollendet, da die Umsatzsteuererklärungals Steueranmeldung (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG,§ 150 Abs 1 Satz 3 AO) einer Steuerfestsetzung unterVorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 168 Satz 1AO). Zugleich war die Tat jeweils beendet (st. Rspr.;vgl. BGHSt 38, 165, 170; BGH wistra 1991, 215, 216).“
Eingestellt in Rechtsgebiet: Steuerrecht
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Autor :
Rechtsanwalt Gereon TemmeRechtsanwalt Gereon Temme
ohne Titel