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Die „Cum-Ex“-Geschäfte sind einer der größten Steuerskandale in Deutschland. Die rechtliche Aufarbeitung ist durch das mittlerweile erste Gerichtsurteil zwar endgültig angelaufen, dennoch sehen sich Ermittler einem Berg an Ermittlungsarbeit gegenüber. Die mögliche Verjährung vieler Steuerhinterziehungen ist bereits jetzt ein nicht unwahrscheinliches Szenario. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will daher die Verjährungsfristen bei schwerer Steuerhinterziehung weiter verlängern und den Ermittlern so mehr Zeit verschaffen.
Steuerhinterzieher nutzten Schlupfloch im Gesetz
Noch immer sind die genauen Ausmaße des Schadens nicht bekannt. Klar ist nur, dass mit den Enthüllungen zu den „Cum-Ex“-Geschäfte einer der größten Steuerbetruge in Deutschland aufgedeckt wurde.Erst 2012 wurde das Schlupfloch für die massenhaften Steuerhinterziehungen erkannt und geschlossen. Bei den Geschäften hatten Investoren rund um den Dividendenstichtag Aktien mit und ohne Ausschüttungsanspruch so zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben, dass letztlich nicht mehr klar war, wem die Papiere tatsächlich gehörten. Ziel war es, die Erstattung von Kapitalertragsteuern durch Finanzämter zu erreichen. Mit dieser Masche, sich bei den Aktiengeschäften gleich mehrfach die nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer erstatten zu lassen, konnten Steuerhinterzieher über Jahre hinweg den Fiskus um Milliarden erleichtern.
Der erste bundesweite Prozess wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften wurde im März dieses Jahres vom Landgericht Bonn entschieden. Zu Bewährungsstrafen sind dort zwei britische Aktienhändler verurteilt worden, die als Kronzeugen maßgeblich zur Ermittlung und Aufklärung der Steuerhinterziehungen beigetragen haben. Mit der Verurteilung der Privatbank M.M. Warburg zur Zahlung von 176 Millionen Euro hat sich diese dagegen nicht abgefunden – mit der bereits eingelegten Revision wird sich künftig der Bundesgerichtshof befassen müssen.
Drohende Verjährung von schweren Steuerstraftaten
Doch mit der Entscheidung aus Bonn ist erst die Spitze des Eisberges sichtbar. Viele weitere Ermittlungen werden noch nötig sein, um Steuerstraftaten anderer Banken und Investoren zur Anklage zu bringen. Es gilt, massenhafte Dokumente zu sichten und Zusammenhänge zu rekonstruieren. Der Steuerskandal um „Cum-Ex“ ist daher noch lange nicht vollständig aufgearbeitet – und die Verjährung vieler der Steuerhinterziehungen droht schon jetzt.
Dabei ist die Aufklärung der hinter den Geschäften steckenden Strukturen, sowie das Zusammenwirken einzelner Beteiligter schwierig, handelt es sich doch um ein äußerst verzweigtes Vorgehen über Landesgrenzen hinweg. Allein in Nordrhein-Westfalen, wo die allermeisten Cum-Ex-Ermittlungen laufen, gibt es nach Angaben von Landesjustizminister Peter Biesenbach (CDU) mittlerweile 68 Ermittlungsverfahren mit rund 880 Beschuldigten. Das sind mehr als doppelt so viele Beschuldigte wie noch im September 2019. Ein riesiger Ermittlungsaufwand, der massenhaft Ressourcen beansprucht. Die Aufarbeitung von „Cum-Ex“ wird noch Jahre dauern.
Scholz fordert mehr Zeit für Ermittler
Um einer drohenden Verjährung der Taten zu entgehen, fordert Bundesfinanzminister Scholz nun eine Verlängerung der gesetzlichen Verjährungsfristen für Steuerhinterziehungen. Scholz hat dazu einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Eine Verlängerung der Verjährungsfrist soll mit dem Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise auf den Weg gebracht werden.
Konkret sieht der Gesetzesentwurf vor, die Verjährungsfrist bei schwerer Steuerhinterziehung um 5 Jahre, von derzeit 20 auf 25 Jahren, zu verlängern. Der Gesetzesentwurf muss nun das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Um die drohende Verjährung etlicher Steuerstraftaten zu verhindern, ist in jedem Fall schnelles Handeln erforderlich.
Weitere Informationen zum Thema Steuerrecht und Steuerhinterziehung finden Sie auch unter: https://www.rosepartner.de/steuerhinterziehung-verjaehrung.html
Eingestellt in Rechtsgebiet: Steuerrecht
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Autor :
Rechtsanwalt Helge SchubertROSE & PARTNER
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