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Werden Kündigungsgründe vom Arbeitgeber gezielt und strategisch erfunden oder provoziert, kann dem betroffenen Arbeitnehmer eine Entschädigungszahlung wegen Persönlichkeitsverletzung zustehen, urteilte das Arbeitsgericht in Gießen.
Komplexe Kündigungsstrategie der Arbeitgeberin
Im Laufe der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht Gießen deckten die Richter eine komplexe Kündigungsstrategie der Arbeitgeberin und ihres Anwaltes auf. Im Jahr 2012 sollen beide gezielt Umstände geschaffen haben, die Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter provozieren sollten oder sogar Kündigungsgründe vollständig fingiert haben. Ziel war es, unliebsame Betriebsmitarbeiter entlassen zu können.
Gezielt wurden Lockspitzel in den Betrieb der Arbeitnehmerin geschleust, um die Umstände für die ausgesprochenen Kündigungen zu steuern. Ein im Prozess vernommener Zeuge bestätigte, dass man beispielsweise einen Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot fingiert habe. Durch Beschimpfungen und andere Provokationen sollten unliebsame Mitarbeiter zu Tätlichkeiten provoziert werden, um sie später deswegen kündigen zu können. Als Mitarbeiter auf solche Provokationen nicht reagierten, verletzten sich die Lockspitzel kurzerhand selbst, um einen Angriff zu fingieren. Diese und andere Aktionen sollten im Ergebnis die Grundlage für fristlose Kündigungen bilden. Es wurden gezielt Kündigungsgründe und Umstände geschaffen, um ausgesprochene Kündigungen rechtfertigen zu können. Die Arbeitgeberin wollte so unliebsame Mitarbeiter loswerden.
Arbeitgeberin muss Entschädigung zahlen
Doch nach der Beweisaufnahme war für das Gericht eindeutig, dass die Kündigungsgründe fingiert und provoziert worden waren. Darin sahen die Richter eine schwere Persönlichkeitsverletzung der betroffenen Mitarbeiter. Im Ergebnis verurteilte das Gericht die Arbeitgeberin und ihren Rechtsanwalt zur Zahlung von Entschädigungszahlungen an die ehemaligen Mitarbeiter (Az.: 3 Ca 433/17).
Nicht erfolgreich war dagegen das Verfahren für eine andere Arbeitnehmerin, die bereits in einem früheren Prozessvergleich eine Ausschlussklausel mit der Arbeitgeberin vereinbart hatte. Nach Ansicht des Gerichtes schließe diese Klausel des Prozessvergleiches auch die bislang unbekannten Ansprüche wegen fingierten Kündigungsgründen aus. Eine Entschädigungszahlung wegen Persönlichkeitsverletzung konnte die Klägerin damit nicht mehr geltend machen (Az.: 3 Ca 435/17).
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Eingestellt in Rechtsgebiet: Arbeitsrecht
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Autor :
RechtsanwaltDr. Boris Jan SchiemzikROSE & PARTNER
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