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Die Abberufung eines Vorstandsmitglieds, insbesondere von börsennotierten Aktiengesellschaften erregt zumeist große Aufmerksamkeit. Doch auch die Abberufung von Vorständen der vielen nicht börsennotierten Gesellschaften ist nicht weniger spannend. Grund hierfür sind die komplexen Regelungen des Aktienrechts.
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 15. November 2016 – II ZR 217/15) hatte jüngst darüber zu entscheiden, unter welchen Umständen ein Vorstandsmitglied vom Aufsichtsrat abberufen werden kann. Die Vorinstanzen, das LG München und das OLG München, hatten die Umstände für eine Abberufung sehr eng gefasst. Der BGH hingegen hat mit klaren Worten eine eher großzügige Handhabung der Abberufungsumstände befürwortet. Für die Praxis ist dies sehr zu begrüßen.
Hintergründe des Sachverhalts
Der Kläger war eines von zwei Vorstandsmitgliedern der beklagten AG, die eine einzige Aktionärin hatte. Ihm wurde ein Fehlverhalten vorgeworfen, das die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft dazu veranlasste, dem klagenden Vorstandsmitglied durch Beschluss das Vertrauen zu entziehen. Der Aufsichtsrat der AG beschloss daraufhin, die Bestellung des klagenden Vorstandsmitglieds zu widerrufen. Mit der Klage hatte das klagende Vorstandsmitglied beantragt festzustellen, dass die Abberufung als Vorstand unwirksam sei.
Hintergründe zur Abberufung eines Vorstands
Der Aufsichtsrat einer AG kann die Bestellung eines Vorstandsmitglieds nur dann widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (§ 84 AktG). Dies stellt eine wesentliche Erschwerung gegenüber der Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers dar – einen Vorstand wird man – einfach gesprochen – nicht ohne weiteres los.
Gründe für die Abberufung eines Mitglieds des Vorstandes sind grobe Pflichtverletzungen des Vorstands oder der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung. In der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes stand die Frage des Vertrauensentzuges durch die Hauptversammlung in Frage.
Das Aktiengesetz bestimmt, dass ein Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung eine Abberufung nicht rechtfertigt, wenn das Vertrauen aus unsachlichen Gründen entzogen wird.
LG München / OLG München: Darlegung der Gründe für Vertrauensentzug durch Hauptversammlung
Offenbar unsachliche Gründe lägen vor - so das LG München und das OLG München -, wenn der Vertrauensentzug willkürlich, haltlos oder in sonstiger Weise missbräuchlich erfolge, insbesondere wenn die mit der Abberufung verfolgten Zwecke als rechtswidrig anzusehen seien. Da das Vorstandsmitglied beweispflichtig für die Unsachlichkeit des Vertrauensentzugs sei, habe die Hauptversammlung den Vertrauensentzug zu begründen.
Bundesgerichtshof: Keine Begründung, Kein Anhörung
Der Bundesgerichtshof ist der restriktiven Sichtweise der Vorinstanzen zu Gunsten der Aktiengesellschaften in dreifacher Weise entgegengetreten.
Erstens – so der BGH – scheide nur der Vertrauensentzug, dessen Unsachlichkeit auf der Hand liege, als wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung eines Vorstandsmitgliedes aus. Dabei spiele es keine Rolle, ob ein mögliches Fehlverhalten des Vorstandes sich nachträglich als rechtmäßig herstelle oder ein mögliches Fehlverhalten im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht beweisbar sei.
Zweitens – so der BGH – bedürfe der Hauptversammlungsbeschluss, mit welchem dem Vorstandsmitglied das Vertrauen entzogen wird, keiner Begründung. So sei insbesondere eine fehlende Begründung kein Indiz für einen willkürlichen Entzug des Vertrauens.
Drittens – so der BGH – bedarf die Abberufung des Vorstandes wegen des Vertrauensentzugs keiner vorherigen Anhörung des betroffenen Vorstandsmitglieds durch den Aufsichtsrat. Die Anhörung des Vorstandsmitglieds sei - anders als im Arbeitsrecht bei einer Verdachtskündigung - keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Abberufung: Nicht der Verdacht begründet die Abberufung durch den Aufsichtsrat, sondern der nicht willkürliche Vertrauensentzug.
Praxishinweis: Wie kann sich ein Vorstandmitglied gegen seine Abberufung wehren?
Ein abberufenes Vorstandsmitglied kann gegen die AG auf Feststellung der Unwirksamkeit des Widerrufs klagen. Die Gesellschaft wird im Rahmen der Klage vom Aufsichtsrat vertreten. Die Klage ist vor dem zuständigen Gericht am Sitz der Gesellschaft zu erheben. Nach heute wohl noch herrschender Auffassung ist eine vereinbarte Schiedsvereinbarung, welche die Anrufung eines privaten Gerichts vorsieht, unwirksam. Gibt das Gericht der Klage statt, wird das abberufene Vorstandsmitglied mit Wirkung zum Zeitpunkt der Rechtskräftigkeit des Urteils wieder Vorstandsmitglied.
Entschließt sich ein Vorstandsmitglied gegen eine drohende Abberufung durch den Aufsichtsrat vorzugehen, stellt sich in der Praxis zumeist auch die Frage, ob eine einstweilige Verfügung gegen die Abberufung in Betracht kommt. Gerichtet wäre eine solche Abberufung darauf, dass der Aufsichtsrat (vorläufig) keinen Beschluss über die Abberufung trifft. Für die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen einstweiligen Verfügung spricht, dass die Abberufung von Gesetzes wegen sofort wirksam ist und damit ein schwerer Nachteil für die Abberufung des Vorstandsmitglieds entstehen könnte. Andererseits erachten Gerichte einstweilige Verfügungen im Allgemeinen, die sich gegen Abstimmungen bzw. Beschlüsse richten, zumeist als unwirksam.
Auf der Internetseite des Autors finden Sie weitere Informationen zum Gesellschaftsrecht bzw. Aktienrecht.
Eingestellt in Rechtsgebiet: Handels- Gesellschaftsrecht
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Autor :
RechtsanwaltDr. Boris Jan SchiemzikROSE & PARTNER
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