Fachbeiträge aus den Rechtsgebieten
Nachdem der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.09.2011 das Vergütungssystem des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) als altersdiskriminierend angesehen hatte, weil der Bundesangestelltentarifvertrag eine Eingruppierung der Beschäftigten nach dem Lebensalter vorgesehen hatte und somit jüngere Arbeitnehmer benachteiligt wurden, hatte nun das Verwaltungsgericht Frankfurt in der oben zitierten Entscheidung die Frage zu beantworten, ob auch die Richterbesoldung eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstellt, weil auch in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 nach Lebensaltersstufen unterschieden wird. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat insoweit der Klage eines Richters stattgegeben und festgestellt, dass die Staffelung des Grundgehalts in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 nach Lebensaltersstufen nach Maßgabe des § 38 Bundesbesoldungsgesetz in der zum 31.08.2006 geltenden Fassung eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne des Artikels 2 Abs. 2 Buchstabe a RL 2000/78/EG darstelle. Als Folge der unzulässigen Diskriminierung sei das Grundgehalt den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 nach der höchsten Lebensaltersstufe zu bemessen, da nur insoweit die Besoldungsordnung R keine Diskriminierung bewirke und die sonstigen Regelungen zur Bemessung des Grundgehalts in dieser Besoldungsgruppe wegen des Vorrangs des Unionsrechts außer Anwendung bleiben müssten. I.SachverhaltIn dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt begehrte der Kläger die Besoldung aus der höchsten Lebensaltersstufe der Besoldungsgruppe R 1 Bun-desbesoldungsordnung. Der Kläger wurde im Jahr 2006 in das Richterverhältnis auf Probe und im Jahr 2010 in das Richterverhältnis auf Lebenszeit berufen und zum Richter am Arbeitsgericht ernannt.Im Jahr 2011 beantragte er, dass ihm rückwirkend sowie zukünftig die Besoldung aus der Stufe 12 (Lebensalter 49) der Besoldungsgruppe R 1 zu zahlen sei. Die Bemessung der Besoldung nach dem Lebensalter stelle nämlich eine Diskriminierung wegen des Alters dar, wie der Europäische Gerichtshof mit Urteilen vom 08.09.2011 (Rs. C-297/10 und C-298/10) zum vergleichbaren Bundesangestelltentarifvertrag entschieden habe. Rechtsfolge dieses Verstoßes sei eine Anpassung nach oben.Während Durchlaufen des Vorverfahrens erhob der Kläger – auch aus Gründen der Verjährungshemmung – Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt und begehrte dort zum einen die Feststellung, dass ihm künftig die Besoldung aus der höchsten Lebensaltersstufe der Besoldungsgruppe R 1 Bundesbesoldungsordnung zustehe. Zum andern begehrte er zuletzt rückwirkend ab dem Jahr 2008 die Zahlung eines Betrages von zuletzt € 70.528,49.II.EntscheidungsgründeDas Verwaltungsgericht Frankfurt hat der Klage vollumfänglich entsprochen. In seiner Entscheidung hat es insbesondere ausgeführt, dass die Staffelung des Grundgehalts in den Besoldungsstufen R 1 und R 2 nach Lebensaltersstufen nach Maßgabe des § 38 Bundesbesoldungsgesetz in der zum 31.08.2006 geltenden Fassung eine unmittelbare Diskriminierung des Beamten wegen Alters im Sinne des Artikels 2 Abs. 2 Buchstabe a Richtlinie 2000/78/EG bewirke. Diese Diskriminierung könne weder nach Artikel 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG noch nach Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt werden, da die Besoldung nach Lebensaltersstufen in Form dieser konkreten Regelung weder in kohärenter Weise die jeweilige Berufserfahrung honoriere noch durch die richterliche Unabhängigkeit geboten sei. Als Folge dieser unzulässigen Diskriminierung sei daher das Grundgehalt in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 nach der höchsten Lebensaltersstufe zu bemessen, da nur insoweit die Besoldungsordnung R für die Besoldungsgruppe keine Diskriminierung bewirke und die sonstigen Regelungen zur Bemessung des Grundgehalts in dieser Besoldungsgruppe wegen des Vorrangs des Unionsrechts außer Anwendung bleiben müssten. Zudem sei auch ein Anspruch auf Nachzahlung des Klägers gegeben. Die Ansprüche auf Nachzahlung der Besoldung aus der höchsten Lebensaltersstufe würden nämlich insoweit lediglich der allgemeinen Verjährungsbestimmungen der §§ 195, 199 BGB unterliegen, wonach jedenfalls bei Kenntnis des Anspruches Besoldungsansprüche der zurückliegenden 3 Jahre nicht der Verjährung unterworfen seien. Den Einwand der Gegenseite, auch Besoldungsbestandteile müssten zeitnahe geltend gemacht werden, ließ das VG Frankfurt nicht gelten. Der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung betreffe Fälle einer mit dem Grundgesetz unvereinbaren Besoldung und gebe im übrigen lediglich dem Gesetzgeber die Möglichkeit, bei den von ihm zur Beseitigung des Verfassungsverstoßes erst noch zu schaffenden Regelungen eine rückwirkende Begleichung von Ansprüchen ggf. zu beschränken, ohne jedoch zum Erlass derartiger Regelungen zu verpflichten.III.Auswirkungen in der Praxis1.In der Besoldungsordnung A wurde anfangs alle 2 Jahre, dann alle 3 Jahre und später alle 4 Jahre die nächste Stufe erreicht. In der Besoldungsordnungen R und erhöht sich die Stufenzuordnung alle 2 Jahre.In den Besoldungsordnungen B und W sowie den Gruppen R3 bis R10 gibt es keine Stufeneinteilung. Das Urteil des VG Frankfurt ist insoweit konsequent, als sich die bisherige Besoldung der Richter in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 nach Lebensaltersstufen bemisst. Dies aber stellt eine Diskriminierung aufgrund des Alters dar, welche grundsätzlich nicht gerechtfertigt werden kann. Die Höhe der Besoldung in den Richterämtern der Besoldungsstufe R 1 und R 2 ist in Hessen nämlich ausschließlich am Lebensalter des jeweiligen Richters bzw. der jeweiligen Richterin orientiert und verstößt daher gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Es kann insoweit auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das jeweilige konkrete Lebensalter mit einer bestimmten Erfahrungsstufe deckungsgleich ist. Das alleinige Abstellen auf das bloße Lebensalter stellt jedenfalls keinen Rechtfertigungsgrund im Sinne der Rechtsprechung des EuGH dar, der ausnahmsweise geeignet ist, eine Altersdiskriminierung zu rechtfertigen.2.Selbstverständlich bleibt es dem Gesetzgeber unbenommen, eine gesetzliche (dis-kriminierungsfreie) Neuregelung zu treffen, beispielsweise durch die Einführung von Erfahrungsstufen, bei welchen das Erreichen der nächst höheren Besoldungsstufe von einer gewissen Dienstzeit abhängig gemacht wird.3.Zum jetzigen Zeitpunkt kann den Beamten, bei welchen die Staffelung des Grundgehalts nach Lebensaltersstufen erfolgt, angeraten werden, möglichst zeitnahe einen Antrag auf dem Dienstwege zu stellen, mit welchem sowohl rückwirkend als auch zukünftig die Besoldung nach der höchsten Lebensaltersstufe beantragt wird. Sollte der Antrag abschlägig beschieden werden, müsste der Anspruch dann ggf. klageweise weiter verfolgt werden.Insoweit ist selbstverständlich darauf hinzuweisen, dass trotz der ergangenen Ent-scheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt die Erfolgsaussichten eines auf eine altersdiskriminierungsfreie Berechnung der Bezüge gerichteten Rechtsmittels derzeit offen sind. Andere Gerichte haben in vergleichbaren Fällen die Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Klärungsbedürftig wird darüber hinaus weiter die Frage sein, in welchem Umfang eine rückwirkende Geltendmachung von Besoldungsansprüchen in Betracht kommt und ob die Voraussetzung der zeitnahen Geltendmachung – d.h. Antragstellung im laufenden Haushaltsjahr – erfüllt sein muss. Dabei ist zu beachten, dass die Voraussetzung der zeitnahen Geltendmachung von der Verjährung eines Anspruchs zu unterscheiden ist. Diese beträgt in der Regel 3 Jahre. Weitere Rechtssicherheit könnte sicherlich die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bringen, welcher auf Grund zweier Vorlagebeschlüsse des Verwaltungsgericht Berlin vom 23.10.2012 (AZ: VG 7 K 425.12 sowie VG 7 K 343.12) sich mit der Problematik zu befassen hat. Ein Urteil ist vermutlich nicht vor Ablauf des Jahres 2013 zu erwarten.Wer aber evtl. Ansprüche wahren möchte, muss vorsorglich bei der zuständigen Stelle einen Antrag auf Neuberechnung der Bezüge stellen.Gerne sind wir dazu bereit, Sie in einem solchen Verfahren zu vertreten. Nonnenmacher Rechtsanwälte ist eine u.a. im Verwaltungsrecht spezialisierte Kanzlei. Herr Rechtsanwalt Sennekamp ist für Nonnenmacher Rechtsanwälte schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts und dort auch auf dem Gebiet des Beamtenrechts tätig. In diesem Bereich betreuen die Spezialisten bei Nonnenmacher Rechtsanwälte regional und überregional Mandanten zu allen Fragen des Beamten- und Besoldungsrechts.
Eingestellt in Rechtsgebiet: Verwaltungsrecht
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Autor :
Rechtsanwalt Peter SennekampNonnenmacher Rechtsanwälte
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